Eltern

Kitabeiträge? Nein, danke.

Gefühlt alljährlich grüßt die Debatte, ob die Kitas in Berlin kostenfrei bleiben sollten, oder ob Eltern sich einkommensabhängig an den Kosten der Bildung und Betreuung ihrer Kinder in den Kitas beteiligen sollen. So nun auch in diesem Spätwinter 2023/2024 im Rahmen des SPD-internen Wahlkampfs um die Berliner Parteispitze.

Die ziemlich eingängige Argumentation geht so:

„Wer mehr hat, soll auch mehr dazugeben.“ Analog dazu: „Es kann nicht sein, dass alle für die Kinder der Besserverdienenden zahlen.“ Die Argumentation, die erstmal so plausibel klingt, hat aus meiner Sicht aber ein paar blinde Flecken, auf die man schauen muss, bevor man diese Frage beantwortet.

Welche Aufgaben haben Kitas?

Kitas sind Einrichtungen, die Kinder bilden und erziehen sollen. Sie legen einen wichtigen Grundstein der kindlichen Entwicklung in einer Phase, die für Kinder sehr prägend ist. Gleichzeitig sind sie (und das ist der allseits ungern debattierte Aspekt hinter dem Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz) die Voraussetzung dafür, dass Eltern wieder arbeiten gehen können. Ich bin mir sehr sicher, dass es ohne den eklatanten Arbeits- und Fachkräftemangel in beinahe allen Branchen bis heute keinen parteiübergreifenden, sehr breiten Konsens für den Kitaplatzanspruch gäbe (was ihn aber nicht weniger richtig macht).

Kitas sind also zum Einen Bildungseinrichtungen und Lebensorte, an denen Kinder das erste Mal „Gesellschaft“ erleben, die deutlich über den Kreis der eigenen Familie hinausgeht. Zum Anderen sind Kitaplätze eine Voraussetzung dafür, dass Eltern arbeiten gehen können.

Es geht um Interessen, die einerseits die individuellen Lebensbereiche aller Kinder und ihrer Familien berühren, es sind aber genauso gut gesamtgesellschaftliche Interessen. Auch all denjenigen, die keine kitapflichtigen Kinder (mehr) haben, dürfte es wichtig sein, dass es Arbeitskräfte in allen Bereichen gibt und dass diese nicht wegen fehlender Kinderbetreuung ausfallen. Genauso gut dürfte es im Interesse aller sein, dass Kinder gut gebildet werden.

Ich halte es deshalb (unabhängig von der Einkommensfrage der Eltern) für problematisch, wenn Kosten hierfür auf einzelne umgelegt werden und so getan wird, als sei die Bildung der Kinder keine gesamtgesellschaftliche Aufgabe.

Ich fände ich es auch (mal wieder) ein falsches Signal, das Großziehen von Kindern teurer zu machen. Selbstverständlich ist es eine individuelle Entscheidung, Kinder in die Welt zu setzen, andererseits sollte eine Volkswirtschaft mit einem Durchschnittsalter von 44 Jahren (wir sind nach Japan die zweitälteste Volkswirtschaft der Welt) ein dringendes Interesse haben, Eltern zu entlasten. In sehr vielen Bereichen des täglichen familiären Lebens passiert exakt das Gegenteil.

Wer schonmal Kitaplätze, Schulplätze, Hebammen, Kinderärzt:innenplätze, Schwimmkursplätze (Aufzählung unvollständig) gesucht, oder Anträge auf Elterngeld gestellt oder (Königsdisziplin) eine familienfreundliche und gleichzeitig bezahlbare Wohnung gesucht hat, weiß, was ich meine.

Wofür sollen die Gelder eigentlich erhoben werden und in welcher Höhe?

Wenn es um Kostenbeiträge für Eltern geht, geht es de facto um Kostenbeiträge für erwerbstätige Eltern, deren Einkommen oberhalb der Grundsicherung liegt. Es geht (richtigerweise) nicht um Eltern, die auf Leistungen der Grundsicherung angewiesen sind (ggf. auch ergänzend zum Erwerbseinkommen), es geht aber auch nicht um diejenigen Eltern, die so viel Vermögen haben, dass sie allein davon leben können. Grundsicherungsempfänger:innen und Superreiche würden (zumindest theoretisch) den gleich Beitrag, nämlich keinen, zahlen, während diejenigen, die ein Erwerbseinkommen oberhalb der Grundsicherung erzielen, die Plätze ihrer Kinder mitfinanzieren müssen. Diese Diskussion hat insofern auch an diesem Punkt eine Schieflage.

Ein weiterer Aspekt: es geht nicht, dass einerseits immer betont wird, man müsse die „kalte Progression“ im Steuerrecht bekämpfen, damit Einkommenssteigerungen nicht durch steigende Steuertarife aufgefressen werden, andererseits aber genau das für Eltern im Rahmen von einkommensorientierten Kitabeiträgen diskutieren.

Offen bleibt weiterhin, wofür die Kostenbeteiligungen genutzt werden. Sollen sie für Qualitätssteigerungen in den Kitas herangezogen werden, oder sollen sie lediglich die bisherigen Kosten im Landeshaushalt senken?

Hinzu kommt: Kostenbeiträge verursachen einen enormen bürokratischen Aufwand, da der Kostenanteil bei jedem Kitakind individuell berechnet werden muss – auch bei denen, die später zuzahlungsbefreit sind. Wer sich mal beispielsweise die Staffelungen und Nachweispflichten auf der Webseite des Hamburger Senats anschauen mag, versteht, was ich meine.

Auch wird allzu häufig argumentiert, dass ein Basisbetreuungsumfang (von beispielsweise 6h täglich in Hamburg) kostenfrei bleiben würde, man zeige mir aber mal bitte Eltern, die mit jeweiligen Vollzeitstellen mit 6 Stunden täglicher Betreuung in den Kitas auskommen.

„Kitachancenjahr“

Die Berliner Bildungspolitik hat in den vergangenen Jahren intensiv dafüber debattiert, wie man mehr Kinder bzw. deren Eltern für die Angebote der frühkindlichen Bildung gewinnen kann (Hörempfehlung: Podcastgespräch zum „Kitachancenjahr“ mit dem Berliner Jugendstaatssekretär).

Eine der Grundfeststellungen war, dass bürokratische und administrative Hürden zur Erlangung eines Kitaplatzes massiv gesenkt werden müssen. Allein durch den Mehraufwand für die Prüfung einer Kostenbeteiligung dürften sämtliche Anstrengungen obsolet sein, beispielsweise die Idee, einen Kitagutschein automatisiert zuzusenden.

Kinder brauchen nicht nur ein Recht auf einen Kitaplatz, sondern ein Recht auf einen sehr guten Kitaplatz. Diesen zu finanzieren sollte eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe sein, weil kurz- mittel- und auch langfristig auch alle davon profitieren.

Eine individuelle Kostenbeteiligung würde eben nicht die besonders Privilegierten zu einer solidarischen Finanzierung heranziehen, sondern erwerbstätige Eltern zusätzlich belasten, einen erheblichen bürokratischen Aufwand verursachen, andere Ideen wie das „Kitachancenjahr“ torpedieren und letztlich bliebe auch die Frage, wie viel von dem Geld tatsächlich in den Einrichtungen ankommt.

Das kann man effizienter und letztlich auch günstiger organisieren, wenn man die steuerfinanzierten Zuwendungen an die Träger erhöht, ohne auf staatlicher Seite noch zusätzliche Bürokratie für Einkommensprüfungen zu schaffen.

Möglichkeiten zur Finanzierung gäbe es. Man müsste es nur wollen und das wäre tatsächlich mal ein Thema, das die Berliner SPD diskutieren könnte, wenn sie ohnehin schonmal dabei ist.